Chocolate Flowers – Verlags-Porträt
Auf dem Markt für Kinder- und Jugendbücher ist es eng: Jedes Jahr erscheinen mehr als 8000 Neuveröffentlichungen, die von immer mehr Klein- und Kleinstverlagen herausgebracht werden. Das alles abzusetzen fällt schwer. 2015 verzeichneten die Verlage, wie übrigens auch schon 2014, insgesamt leichte Umsatzeinbußen.
Und doch sitzt in Berlin-Friedrichshain Anna-Lea Dittrich in ihrem Wohnzimmer am Computer und blickt vorsichtig optimistisch in die Zukunft. Sie hat gerade einen kleinen Kinderbuchverlag mitgegründet, kümmert sich dort um Lektorat, Presse und „alles, was mit Text zu tun hat”. „Chocolate Flowers” heißt der Verlag, der auf bilinguale Kinderbücher spezialisiert ist. Bislang sind zwei Bücher erschienen.
„Große Verlage sind oft sehr behäbig, sich auf Neues einzulassen. Wir müssen nicht erst das ganze Haus, den Vertrieb, die Geschäftsführung überzeugen – sondern wir können einfach machen, woran wir glauben”, erklärt Anna-Lea Dittrich den Reiz der Neugründung.
Aber kann das gut gehen? Ist das Risiko des Scheiterns in dieser Branche nicht zu hoch?
Es ist ja nicht so, dass Anna-Lea Dittrich naiv wäre. Sie hat als Lektorin bei einem der bekannteren Berliner Kinderbuchverlage gearbeitet und ist seit dem Ende der Elternzeit Freiberuflerin. Nicht nur, weil sie schon immer frei arbeiten wollte, sondern auch, weil der Verlag gesagt hat: Vollzeit oder gar nicht. Sie hat also am eigenen Leib erfahren, dass auch in der Kinderbuchwelt mit harten Bandagen gekämpft wird.
► Dass sie trotzdem daran glaubt, dass sich „Chocolate Flowers” behaupten kann, hat (mindestens) drei Gründe. Der erste heißt Melanie Bertram. Sie ist die Inhaberin des Verlags und sein Motor. Vor vielen Jahren traf Anna-Lea sie zum ersten Mal, und schon damals erzählte sie von ihrem Traum, einmal einen Kinderbuchverlag zu gründen. Dass Melanie Bertram eigentlich Juristin ist und somit wertvolles Wissen mitbringt, bedeutet einen weiteren Pluspunkt. Sie hat einen Traum, in den sie viel Energie steckt, ist aber keine Träumerin.
► Der zweite Grund liegt im zweisprachigen Konzept. Die Bücher lassen sich wenden: Von der einen Seite liest dann zum Beispiel der englischsprachige Papa den Text auf Englisch vor, von der anderen die deutsche Mutter auf Deutsch. „Gerade im urbanen Raum gibt es viele bilinguale Familien”, sagt Anna-Lea Dittrich. Zwar nimmt die Konkurrenz auf dem Markt der mehrsprachigen Kinderbücher gerade zu (der Börsenverein des Deutschen Buchhandels spricht von einem aktuellen Trend), aber sie ist sich sicher, dass für gut durchdachte und hochwertig gestaltete Bücher noch Platz in der Nische ist. Der erste wichtige Erfolg könnte darauf hindeuten, dass sie richtig liegt: „Chocolate Flowers” hat eine bilinguale Bildungseinrichtung als Großkundin gewonnen, die Mitarbeitern ein Buch des Verlags schenkt, wenn die ein Kind bekommen.
► Und drittens hat der Verlag zwar ambitionierte Ziele, aber auch die Ruhe, es langsam angehen zu lassen. Alle Beteiligten arbeiten noch in anderen Jobs. Mittelfristiges Ziel ist es, jährlich vier Neuerscheinungen herauszubringen. Dittrich: „Wir wollen lieber langsam wachsen – und dafür vernünftig. Nicht ein Buch nach dem anderen raushauen, von dem wir gar nicht überzeugt sind, sondern gute Autoren und Illustratoren gewinnen.”
„Ich pass auf Dich auf / I will take care of you” erschien als erstes Buch des Verlags im Dezember 2015. Ein schönes Geschenkbuch für frischgebackene Mamas. Illustrationen von Susanne Babies. Hier verkauft es der „Chocolate Flowers”-Verlag im eigenen Shop.
Die ersten beiden Bücher hat Melanie Bertram selbst verfasst, aus „Arved” (übrigens über Crwodfunding finanziert) soll eine ganze Reihe entstehen. Das ist eine nette Basis, immerhin. Viel mehr aber wohl auch nicht. Jetzt muss es weitergehen, bevorzugt mit jungen, talentierten aber noch unbekannten Berliner Autoren und Illustratoren. Lokalität ist für einen kleinen Verlag nicht bloß Ideologie, sondern auch praktisch. Das senkt die Kosten. Ob es aber tatsächlich gelingt, starke Talente zu finden und zu binden, steht noch in den Sternen.
Und es gibt auch noch ein anderes, handfestes Problem: Bis jetzt werden die „Chocolate Flowers”-Bücher nur in wenigen Buchhandlungen verkauft, die meisten Kunden bestellen direkt beim Verlag. Zum Vergleich: Bei anderen Verlagen machen Direktbestellungen gerade einmal ein Fünftel des Umsatzes aus, der Verkauf im Sortimentsbuchhandel dagegen rund die Hälfte.
Da stehe jetzt wohl mal Klinkenputzen an, konstatiert Dittrich. Und das müssen die Frauen erst einmal selbst machen, denn um den Vertrieb an einen professionellen Anbieter auszulagern, fehlt das Geld. Es ist also noch viel Anstrengung nötig, bevor die Mischung aus Enthusiasmus und Professionalität langfristig zum Erfolg führen kann – und nicht in der Selbstausbeutung endet.
„Arved – der Fischerkönig / Arved, King of the Fishermen” ist der Auftakt zu einer Reise-Reihe mit Geschichte in der Geschichte. Im ersten Band (erschienen im April 2016, ab 5 Jahren) fährt Arved mit seiner Familie nach Schweden und wohnt in einem Haus, das ein altes Geheimnis birgt. Wird Arved der Fischerkönig? Geschrieben von Melanie Bertram, illustriert von Debby Gonzalez. Hier geht’s zum Verlags-Shop.
(7. Juli 2016)