Kurzgeschichte: Hurra, es hat geschneit!

Hurra, es hat geschneit!

von Man­fred Orlick

Seit zwei Stun­den schleppte Mutti San­dra schon durch die Geschäfte. Neue Win­ter­sa­chen waren ange­sagt. Doch San­dra hatte über­haupt keine Lust zum Einkaufen.

Du brauchst unbe­dingt einen neuen Ano­rak und ein paar neue Win­ter­stie­fel auch”, hatte die Mut­ter gesagt. Gleich nach der Schule waren sie in die Stadt gefah­ren. Und dann ging es von Geschäft zu Geschäft, von Kauf­haus zu Kaufhaus.

Drei Ano­raks hatte San­dra bereits anpro­biert. Das ging ganz schön auf die Ner­ven. Ent­we­der gefiel er San­dra nicht und wenn doch, dann war er der Mut­ter zu teuer. San­dra war regel­recht sauer. Außer­dem waren jetzt ein paar Tage vor Weih­nach­ten die Geschäfte voll. In den Kauf­häu­sern und Geschäf­ten, über­all herrschte ein Gedränge. Alle Leute such­ten noch nach Weihnachtsgeschenken.

Und brauchte sie wirk­lich einen neuen Ano­rak? Ihr alter grü­ner Ano­rak mit der Kapuze war doch noch gut. Na gut, der Reiß­ver­schluss ging etwas schwer. Aber sonst zog ihn San­dra immer noch gern an.

Und Win­ter­stie­fel? In die­sem Win­ter hatte es über­haupt noch kei­nen Schnee gege­ben. Keine ein­zige Schnee­flo­cke war bis­her gefal­len. Da braucht man doch keine Win­ter­stie­fel. Oder?

San­dra schaute rich­tig grim­mig. Doch die Mut­ter lachte nur. Sie war gut gelaunt. Kein Wun­der, denn sie hatte für sich bereits einen neuen Roll­kra­gen­pull­over gekauft. Der war wirk­lich chic und hatte selbst San­dra gefallen.

Komm, hier in das Schuh­ge­schäft. Viel­leicht bekom­men wir da ein paar hüb­sche Stie­fel für dich”, trös­tete Mutti. „Öhh, keine Lust! Es gibt sowieso kei­nen Win­ter. Außer­dem bin ich müde”, jam­merte San­dra. „Nun komm schon! Mir tun die Füße auch weh”, ent­geg­nete Mutti.

Sie zog San­dra in das Schuh­ge­schäft. Eine Ver­käu­fe­rin kam auf die bei­den zu. „Wir suchen Win­ter­stie­fel für meine Toch­ter”, sagte die Mut­ter und setzte sich erschöpft auf einen Stuhl. Nach ein paar Minu­ten kam die Ver­käu­fe­rin mit eini­gen Schuh­kar­tons zurück.

Schau mal, Kleine, hier haben wir beson­ders hüb­sche Stie­fel”, sagte sie und reichte San­dra ein Paar knall­rote Stie­fel. Mit klei­nen Absät­zen und mit wei­ßem Pelz abge­setzt. Die sahen wirk­lich toll aus. Da wür­den ihre Klas­sen­freun­din­nen bestimmt große Kul­ler­au­gen bekom­men. San­dra musste sie gleich probieren.

Na, die pas­sen doch wie ange­gos­sen”, sagte die Ver­käu­fe­rin. San­dra lief strah­lend in dem Schuh­ge­schäft auf und ab und schaute immer wie­der in den Spie­gel. Sie kam sich wie eine kleine Eis­prin­zes­sin aus dem Win­ter­wald vor. 

Drü­cken die auch nicht?” fragte die Mut­ter etwas besorgt, denn sie hatte inzwi­schen auf das Preis­schild geschaut. Die Stie­fel waren nicht ganz bil­lig. Doch dann gab sie sich einen Ruck und sagte zu der Ver­käu­fe­rin: „Packen Sie die Stie­fel ein. Die neh­men wir. Schließ­lich steht Weih­nach­ten vor der Tür.” San­dra hätte Mutti vor Freude noch in dem Geschäft umar­men können.

Als sie wie­der auf der Straße waren, fie­len die ers­ten Schnee­flo­cken. „Hurra es schneit, weil ich neue Stie­fel habe”, rief San­dra und alle Leute dreh­ten sich ver­wun­dert um.