Opa Mammut
Wie wurden wir eigentlich von Höhlenmenschen zu Hausbewohnern, die statt abends ins Feuer zu schauen mit Smartphones spielen? Und wie erklärt man die komplizierte und gewundene Geschichte von der Entwicklung der Menschheit einem Kind so, dass es einen echten Überblick bekommt?
Dieter Böge und Bernd Mölck-Tassel lösen das Problem, indem sie Opa Mammut über seine Nachfahren sprechen lassen. Das ist so einfach wie raffiniert: Seine UrUrUr…Urenkel haben nämlich allerhand erlebt – und woher auch immer er davon weiß, seine Geschichten über sie sind spannend und anschaulich. Einige Verwandte haben tolle Erfindungen gemacht, andere groben Unfug angestellt. Die Menschheitsgeschichte wird bei Opa Mammut zur lebendigen Familienhistorie.
Startpunkt ist die Steinzeit, 17960 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Da gibt es den modernen Menschen, den Homo Sapiens, zwar schon viele Jahrtausende (und die Menschen davor sind natürlich auch alles Verwandte), aber ab hier nimmt die Sache erst so richtig Fahrt auf – auch wenn sich am Anfang natürlich immer mal wieder ein paar Generationen ganz gut überspringen lassen. Hätte das Buch 1000 Seiten, sagt Opa Mammut, wäre auf der erste Seite er. Auf der nächsten Seite käme eines seiner Kinder, dann ein Kind seiner Kinder und immer so weiter. Das wäre ein ganz schön dickes Buch, und darum überschlägt Opa Mammut hin und wieder ein paar Seiten.
Welche, das sieht man auf einer eindrucksvollen Doppelseite zu Beginn des Buches. Links stehen alle Verwandten, jeder ist mit einem kurzen „Ur” gekennzeichnet. Diejenigen, über die Opa Mammut berichtet, sind fett gedruckt. Rechts dazu die passenden Jahreszahlen. Die großen Lücken verdeutlichen die Dimensionen. Wie viel Zeit vergangen ist, bis das beginnt, was wir Neuzeit nennen, wird so auf einen Blick ersichtlich.
Trotz der vielen übersprungenen Generationen am Anfang der Geschichte nimmt die Steinzeit immer noch ein ganzes Drittel von Opa Mammuts Erzählung ein. Um zu kapieren, wo unsere Wurzeln sind, ist das goldrichtig. Außerdem haben wir uns seitdem so sehr wohl gar nicht verändert. „Die Menschen waren eigentlich wie immer”, heißt es an einer Stelle des Buches. „Das heißt, sie waren alle ganz verschieden.”
Opa Mammut erzählt natürlich von den großen Erfindungen, die zu Wendepunkten in der Geschichte wurden. Genauso viel Wert legt er aber auch auf Lebensumstände und Befindlichkeiten, Wünsche und Vorstellungen – die ja oft mit ihrer jeweiligen Zeit einhergehen, oft aber auch im Wesen des Menschen begründet sind. Und es gelingt ihm, immer wieder kleine, sehr charmante Überraschungen einzubauen, die zu philosophischer Betrachtung geeignet sind.
Nehmen wir zum Beispiel den Verwandten, der 11360 Jahre vor unserer Zeit lebte. Wir sehen ihn schlafend unter einem Baum am Fluss, daneben liegt eine Flöte im Gras. Dieser Mann „war der fleißigste in unserer Familie”, erzählt Opa Mammut. „Er war deshalb meistens ziemlich müde.” Er übte nämlich bis spät in die Nacht, auf den Händen zu laufen oder Flöte zu spielen. Das erfreute die anderen.
Eine andere Verwandte stellt Opa Mammut so vor: „Diese junge Frau hätte nie gedacht, dass sie im finsteren Mittelalter lebte. Denn sie las die allerneuesten Bücher ihrer Zeit über Wissenschaft und Glauben. Wenn ein Buch besonders schön war, hat sie es sorgsam eigenhändig abgeschrieben.” Von der Frau, die im Jahr 1120 als Nonne in einem Frauenkloster zuhause war, lernen wir neben wesentlichem über das Leben im Mittelalter auch, wie relativ die Beurteilung einer Epoche sein kann.
Genauso kurzweilig, lehrreich und sympathisch, so voller nebenbei eingestreuter Weisheit wie diese Episoden ist die ganze Reise durch die Zeit, die Dieter Böge und Bernd Mölck-Tassel im Eiltempo mit uns unternehmen; vorbei an den ersten Siedlern, Stonehenge, Bronze- und Eisenzeit, Rom, Bethlehem, Krieg, Pest, Buchdruck, Revolution, Dampf, Kabel, Krieg und Fernsehen – bis ins Jetzt.
Von: Dieter Böge und Bernd Mölck-Tassel
Verlag: Jacoby & Stuart
Geschichts-Bilderbuch ab 10 Jahren
ISBN: 978–3946593072
Gebundene Ausgabe: 128 Seiten
Format: 16,5 x 1,8 x 26,3 cm