ab 14 Jahren

Kellerkind

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Jugendbücher: Kellerkind

Als Kas­par Hau­ser 1828 wie aus dem Nichts auf dem Unschlitt­platz in Nürn­berg auf­tauchte, kaum lau­fen und kaum spre­chen konnte, nie­man­den kannte und von kei­nem gekannt wurde, da wurde der junge Mann zu dem Rät­sel, das er bis heute ist. Es schien, als habe man ihn wäh­rend lan­ger Kind­heits­jahre in einem Kel­ler gefan­gen gehal­ten. Aber in wel­chem und warum? War er ein Adli­ger, der aus dem Weg geräumt wer­den sollte? War er ein Schwind­ler und Wich­tig­tuer? Oder ein­fach nur ein armer Mensch?

Hau­sers mys­te­riöse Geschichte ist noch immer in der Lage, Gemü­ter auf­zu­wüh­len. Auch zwei Gen­ana­lyen, die vor eini­gen Jah­ren zuerst der „Spie­gel” und dann das ZDF anfer­ti­gen lie­ßen, sorg­ten nicht für Klar­heit. Ihre Ergeb­nisse sind wider­sprüch­lich. Bewie­sen haben sie ledig­lich: Wer sich im Streit „Erb­prinz gegen Hoch­stap­ler” auf eine Seite schlägt, muss mit schar­fem Wider­spruch der Anhän­ger ande­rer Theo­rien rech­nen. Wer­ner Bür­ger, ehe­ma­li­ger Lei­ter des Mark­gra­fen­mu­se­ums in Ans­bach, brachte es in einem Inter­view mit der „Badi­schen Zei­tung” auf den Punkt: „Sie kön­nen einen Meter Bücher über Hau­ser lesen – und wis­sen hin­ter­her nicht mehr als zuvor.”

Für wei­te­res Gewicht in den Regal­rei­hen sorgt nun die nie­der­län­di­sche Autorin Kris­tien Diel­ti­ens, deren mit dem „Wou­tertje Pie­terse Prijs” (bes­tes nie­der­län­di­sches Jugend­buch 2013) aus­ge­zeich­ne­ter Jugend­ro­man „Kel­ler­kind” die­sen Som­mer in deut­scher Über­set­zung bei Urach­haus erschie­nen ist. Diel­ti­ens hat sorg­fäl­tig recher­chiert, um ihre eigene, lite­ra­ri­sche Hau­ser-Ver­sion hin­zu­zu­fü­gen. Sie fängt die Zeit prä­zise ein, zeich­net das dama­lige Leben zwi­schen Roh­heit und Roman­tik, mie­ser Medi­zin, Hei­li­gen­ver­eh­rung, häus­li­cher Gewalt, krie­ge­ri­scher Poli­tik, Aber­glau­ben und Auf­klä­rung leben­dig nach, nutzt aber gleich­zei­tig die Frei­hei­ten des weit­ge­hend spe­ku­la­ti­ven Hau­ser-Stoffs, um einen ganz eigen­sin­ni­gen Psy­cho-Thril­ler aus zwei­ein­halb Per­spek­ti­ven vor his­to­ri­scher Kulisse zu ent­wi­ckeln. Zwei Kunst­griffe hel­fen ihr dabei, Tiefe zu erzeu­gen und die Geschichte (von der ja zumin­dest die Eck­da­ten bekannt sind) span­nend zu halten.

Kunst­griff Num­mer Eins: Diel­ti­ens erfin­det die Figur des Michael, des­sen Schick­sal auf ver­häng­nis­volle Weise mit dem Kas­par Hau­sers ver­knüpft ist. Der durch eine Hasen­scharte ent­stellte Michael wird zur eigent­li­chen Haupt­fi­gur des Romans, die Geschichte beginnt und endet mit ihm, und wäh­rend klar ist, was aus Hau­ser wird, bie­tet Micha­els min­des­tens ebenso berüh­ren­der Wer­de­gang Raum für Überraschungen. 

Kunst­griff Num­mer Zwei: Hau­sers Innen­per­spek­tive wird anhand von Tage­buch­ein­trä­gen erzählt, die seine (eben­falls fik­tive) Freun­din Isolde liest. Wäh­rend­des­sen reka­pi­tu­liert sie wesent­li­che Ereig­nisse aus Hau­sers Leben nach 1828. Gemein­sam mit ihr wird der Leser vom Rät­sel um Hau­ser immer wei­ter gefes­selt und will das Buch bald schon nicht mehr aus der Hand legen.

Alles in allem kein ganz leich­ter Stoff – aber für etwas geüb­tere Leser ab 14 Jah­ren ein mit­rei­ßen­der Psycho-Krimi. 


Von: Kris­tien Diel­ti­ens, über­setzt von Eva Schweikart
Ver­lag: Urachhaus
Jugend­buch ab 14 Jahren
ISBN: 978–3825179700
Gebun­dene Aus­gabe: 416 Seiten
For­mat: 14,4 x 4 x 21,1 cm 
Rating: 4.0/5. From 8 votes. 
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