Das Zebulon und sein Ballon
Mein Sohn sagt, die Geschichte sei ihm eine Spur zu traurig. Außerdem gereimt. Und drittens: Was soll das überhaupt sein – ein Zebulon?!
Aufmerksam bis zum Schluss angehört hat er die Geschichte von Alice Brière-Haquet aber doch. Über einige der (manchmal etwas holprigen) Reime musste er sogar lachen. Und was ein Zebulon ist, das hat er auch herausgefunden: Es handelt sich dabei entweder um einen der zwölf Stämme Israels, eine Kleinstadt in North Carolina, den ehemaligen Namen einer schwedischen Metal-Band oder eben um ein lustiges, kleines Tier mit spitzer Nase und großen Kulleraugen.
Dieses kleine Zebulon liebt seinen roten Luftballon über alles. Dumm nur – schon auf der zweiten Seite fliegt er ihm – „Huiiiijt” – davon. Armes Zebulon, ganz allein im Wald. Da hat es natürlich Angst. Und dann leuchtet da auf einmal auch noch etwas „rot und rund: Ist das vielleicht der Gruselgrund?, überlegt das Zebulon, oder ist es gar mein Luftballon?”
Aber nein, es sind die Augen einer Eule. Die schließt Freundschaft mit dem armen Zebulon und verspricht, ihm bei der Suche nach dem Luftballon zu helfen.
So geht das weiter: Irgendwo blitzt etwas Rotes hervor, das Zebulon ist ganz aufgeregt, geht nachschauen – und dann die Enttäuschung, wieder kein Luftballon. Stattdessen sammelt das Zebulon immer mehr Freunde ein: zwei Turteltauben, drei Schnecken, vier Raupen. Aber eben kein Ballon! Das Zebulon weint bittere Tränen – bis ihm auf einmal klar wird: „Einen Freund verloren, zehn Freunde gewonnen! Kein Grund mehr, traurig zu sein.”
Man merkt schon: Hier wird erstens sehr gelungen zählen geübt. Und zweitens ist „Das Zebulon und sein Ballon” so eine Art Verlust-Bewältigungs-Hilfe für Kleinkinder. Es veranschaulicht eine Reihe von Aphorismen: In jedem Ende liegt ein neuer Anfang. Wenn sich eine Tür vor uns schließt, öffnet sich eine andere. Wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Tierchen her.
Mein Sohn kann dieses Konzept allerdings nur so halb gutheißen – ihm wäre es definitiv lieber gewesen, wenn das Zebulon am Ende den Ballon wiedergefunden hätte. Nicht umsonst geht der zitierte Türen-Sinnspruch von André Gide ja auch noch weiter: Die Tragik liegt darin, dass wir nach der geschlossenen Tür blicken, nicht nach der offenen.
Egal! Das Buch ist trotzdem schön. Ein bisschen poetisch, ein bisschen lustig, ein bisschen lehrreich. Die Illustrationen von Olivier Philipponneau (Holzschnitte in schwarz, weiß und rot) sind ganz wunderbar! Und die Aufmachung (dicker Pappeinband außen, innen schweres, festes Papier) lässt sich nur in einem Wort zusammenfassen: edel.
Von: Alice Brière-Haquet (Text), Olivier Philipponneau (Illustrationen) und Ursel Scheffler (Übersetzung)
Verlag: Ravensburger
Bilderbuch ab 3 Jahren
ISBN: 978–3473445776
Gebundene Ausgabe: 32 Seiten
Format: 26,4 x 20,2 x 1,2 cm