Wo ist mein Hut
„Wo ist mein Hut” ist auf den ersten Blick ein nettes, harmloses Bilderbuch. Hübsch illustriert, eine gefällig vor sich hin plätschernde Story, jede Menge drollige Tiere. Die letzte Seite allerdings macht aus der Geschichte ein Meisterwerk des schwarzen Humors.
Die Handlung geht so: Der Bär vermisst seinen Hut. Er macht sich auf den Weg durch den Wald und fragt alle Tiere nach ihm. „Ich habe den ganzen Tag nichts gesehen. Ich habe versucht auf diesen Stein zu klettern”, antwortert die Schildkröte. Und das Gürteltier fragt zurück: „Was ist ein Hut?”
Die anderen Antworten sind ähnlich hilfreich, etwas Verwertbares ist vorerst nicht dabei. Traurig legt sich der Bär auf den Boden. „Und wenn ich ihn nie wiedersehe?”, fragt er sich bang. „Meiner armer Hut, er fehlt mir so.”
Erst als sich der Bär Form und Farbe des geliebten Stücks ins Gedächtnis ruft, überkommt ihn ein Geistesblitz: Natürlich hat er seinen Hut längst gesehen! Er saß auf dem Kopf des frechen Kaninchens, das dreist geantwortet hatte: „Nein. Warum fragst du mich? Ich hab ihn nicht gesehen. Ich habe überhaupt keine Hüte gesehen. Ich stehle doch keinen Hut. Stell mir bloß keine Fragen mehr.”
Das ist witzig. Aber der Höhepunkt kommt erst, nachdem der Bär zum Kaninchen zurückgerannt ist und nun – wieder mit Kopfbedeckung – vom Eichhörnchen nach dem Verbleib eines ganz bestimmten Kaninchens gefragt wird. „Nein. Warum fragst du mich? Ich hab es nicht gesehen. Ich habe überhaupt keine Kaninchen gesehen. Ich fresse doch keine Kaninchen. Stell mir bloß keine Fragen mehr.”
Die Komik ist herrlich doppelbödig, und die auf wenige Dialogmomente reduzierte Story lässt Platz für Interpretationen. Wer allzu zart besaitet ist, kann gerne auch glauben, dass der Bär das diebische Kaninchen gar nicht gefressen hat, sondern dessen Rethorik nur aus Spaß verwendet …
Das kommt bei Kindern und Kritikern gleichermaßen gut an: Die „New York Times” feierte „Wo ist mein Hut” als „schelmisches Buch, das bezaubert”, „Publishers Weekly” kürte es zu einem der besten Bilderbücher 2011 und 2013 gewann es den Deutschen Jugendliteraturpreis.
Von: Jon Klassen
Verlag: NordSüd
Bilderbuch ab 4 Jahren
ISBN: 978–3314101175
Gebundene Ausgabe: 40 Seiten
Format: 28,2 x 20,6 x 1,2 cm