Pu der Bär
Wenn man es mit einem schwierigen Problem zu tun hat (wie zum Beispiel dem, Honig von argwöhnischen Bienen mopsen zu wollen), dann empfiehlt es sich, zunächst einmal in aller Ruhe darüber nachzudenken. Mit Pu zum Erfolg zu kommen heißt, ohne Eile (aber beharrlich) einen, ähem, logischen Schritt auf den nächsten folgen zu lassen.
Fangen wir also ruhig mal ganz vorne an und stellen die einfachen Fragen zuerst. Schwierig wird es nachher noch von ganz alleine:
Soll ich meinem Kind „Pu der Bär” vorlesen? Natürlich! Vielleicht kann dein Kind schon selber lesen. Lies ihm Pu trotzdem vor, dir entginge sonst etwas.
Was denn? Du würdest zum Beispiel einen sehr poetischen Sinn für Logik verpassen. Pu lehrt: Willst du eine Biene über dein honigräuberisches Vorhaben täuschen, dann flieg an einem blauen Ballon zu ihr hoch und tu so, als seist du eine Wolke am blauen Himmel. Bist du als Wolke nicht glaubwürdig genug (etwa weil du trotz aller Bemühungen immer noch eher wie ein Bär an einem Ballon aussiehst), dann versuch es doch mit einem Lied: „Als Wolke so im Blauen schweben, / Das ist und bleibt das wahre Leben! / Wenn ringsherum der Himmel blaut, / Singt jede schwarze Wolke laut: // ‚Als Wolke so im Blauen schweben, / Das ist und bleibt das wahre Leben!’ / Sie fühlt sich, wenn es blaut, / Sehr wohl in ihrer Haut.”
Würde so ein Lied etwa ein honigsüchtiger Bär singen? Es passt doch zu einer kleinen Wolke wirklich viel besser. Aber auch in puncto Gleichmut kannst du viel von Pu lernen. Etwa dann, wenn einer deiner unbestechlich guten Plänen überraschenderweise doch mal nicht aufgehen sollte.
Was, wenn ich mehrere Kinder habe? Dann lies ihnen allen Pu vor. Einzeln! Man kann Pu gar nicht oft genug lesen. Da man Pu aber auch nicht oft genug hören kann, darfst du den Kindern, denen du Pu gerade nicht vorliest, gerne erlauben, dabei zuzuhören, wenn du einem anderen Kind Pu vorliest. Klar, oder?
Wann soll ich „Pu der Bär” meinem Kind vorlesen? Hast du Zeit? Dann sofort! Es ist einigermaßen wichtig, dass dein Kind Pu, Ferkel, Kaninchen und Co. zuerst aus den Geschichten von A.A. Milne kennen lernt, bevor es dahinter kommt, dass der Disney-Konzern das Recht gekauft hat, Pu nach Herzenslust zu verhunzen und dem Original-Kosmos völlig sinnlose, neue Episoden hinzuzufügen! Diese Reihenfolge garantiert, dass dein Kind gegen Disney-Schrott immunisiert wird (das gute Zeug von Disney kann es ja später trotzdem toll finden).
Und welchen Pu soll ich vorlesen? Was soll die Frage? Natürlich den gesamten! 1926 erschien Band 1 unter dem Namen „Winnie-the-Pooh” (deutsch: „Pu der Bär”), 1928 Band 2 („The House at Pooh Corner” – „Pu baut ein Haus”). Dann gibt es noch zwei Gedichtbände von Milne, die auf Deutsch in einem Band erschienen: „Ich und Du, der Bär heißt Pu”. Der Rest ist Schmu.
Nein, nein. Die Frage war: Welche Übersetzung von Pu soll ich vorlesen? Ach so. Diese Frage ist in der Tat schwerer zu beantworten. Zunächst einmal die Fakten: Wer heute im Buchladen ein Pu-Buch kauft, bekommt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein von Harry Rowohlt übersetztes. 2005 erhielt Rowohlt den Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk, besondere Erwähnung fand dabei (natürlich) auch seine großartige Pu-Übersetzung.
Aber vor ihm haben Pu auch schon andere ins Deutsche übertragen. Ich habe zu Hause ein Exemplar, in dem E. L. Schiffer, Ursula Lehrburger und Maria Torris (in unterschiedlichen Rollen) als Übersetzerinnen ausgewiesen sind. An vielen, vielen Stellen gefällt mir diese Pu-Version besser. An vielen anderen die von Rowohlt (zum Beispiel ist ihm das oben zitierte Wolken-Gedicht besser gelungen). Es ist schon eine Krux!
Aber um die Antwort auf die Frage praktisch zu halten: Egal! Nimm, die Übersetzung, die du gerade zur Hand hast. Das ist auf jeden Fall besser, als weiter Quatsch im Internet zu lesen.
Von: A.A. Milne, übersetzt von Harry Rowohlt
Verlag: Dressler
Kinderbuch ab 6 Jahren
ISBN: 978–3791513393
Gebundene Ausgabe: 336 Seiten
Format: 15,6 x 3,3 x 21,5 cm