Fett Kohle
Der Kinder-Krimi „Fett Kohle” von Dorit Linke tourt gerade durch verschiedene Blogs und macht heute Station bei gute-kinderbücher.de. Meine Mission dabei ist es, Euch den Ort der Handlung näher zu bringen.
Das Buch spielt in Berlin-Neukölln. Genauer: mitten im Schillerkiez, der an das Feld des ehemaligen Flughafens Tempelhof grenzt. Damit Ihr wisst, wie es dort aussieht, bin ich auf Foto-Safari gegangen – und habe zuerst einmal die Hasenschänke besucht, neben der die beiden Helden des Buches eine Tasche voll Geld vergraben haben.
„Wussten Sie, dass Sie in einem Buch vorkommen”, ist keine Frage, die Katrin aus der Fassung bringt. „Klar”, sagt die Wirtin der Hasenschänke. „In mehreren sogar. In Filmen auch.”
Der kleine Laden im Volkspark Hasenheide, an einem Donnerstagmittag im Juli: Ein paar Stammgäste sind da, ein paar Ausflügler trinken ein Bier oder eine Limo. „Very old school Neukölln” – so nennt die „Jungle World” den Kiosk mit Plastikstuhl-Biergarten drumherum. Und weil das so ist, kommt er in Büchern vor.
Zum Beispiel in „Fett Kohle” von Dorit Linke. „Mama und Kaminski hängen ewig auf dem Amt ab und gehen danach in die Hasenschänke, um sich von der Sachbearbeiterin zu erholen”, heißt es da. „Die Sachbearbeiterin kümmert sich bestimmt um den gesamten Kiez, denn die Hasenschänke ist immer voll.”
Stichwort Authentizität? Wirtin Katrin zieht lachend eine Augenbraue hoch. Das heißt: bisschen überspitzt, passt aber.
Dorit Linke hat sich einer realen Kulisse bedient, die sie gut kennt, weil sie ganz in der Nähe wohnt. „Ich wollte eine Geschichte schreiben, deren Handlung in Berlin angesiedelt ist, an Orten, die wiedererkannt werden können, ob nun von Berlinern oder von Touristen”, sagt sie. „Ich kenne den Schillerkiez seit Jahren, die Hasenheide und das Flugfeld sind Orte, die sich für die Handlung angeboten haben.”
Die Geschichte des Krimis für Kinder ab 10: Der elfjährige Niklas beobachtet Bankräuber, die auf der Flucht vor der Polizei eine Geld-Tasche wegschmeißen, holt sie sich, weiß dann aber nicht so recht weiter. Dringende Sorgen bereiten ihm die Ganoven (die ahnen, bei wem sie ihr Geld suchen müssen), Murats Gang (die ebenfalls aufmerksam geworden ist) und die Polizei (die unangenehme Fragen stellt). Zu Niklas’ vielen anderen Problemen gehört neben seinem schlechten Gewissen, dass Mamas neuer Freund Kaminski ein Vollidiot ist, dass sein Vater weit weg lebt – und vor allem, dass er fürchtet, seine Mutter zu enttäuschen, gleichzeitig aber von ihr enttäuscht ist, weil sie sich gerade so hängen lässt. |
Niklas wohnt am Herrfurthplatz in der Mitte der Schillerpromenade. Viele, die hier im Supermarkt einkaufen, sind laut ihm „entweder betrunken oder verrückt”.
Die Darstellung ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Ebenso echt sind die Dealer in der Hasenheide, die obercoolen Jugendlichen und die vielen Außenseiter, die im Buch vorkommen. „Mitunter geht es auf den Straßen recht ruppig zu, aber das ist nicht spezifisch für Neukölln, sondern eben typisch Großstadt”, sagt Dorit Linke.
Sie und ihr Held meinen ihre Beschreibungen übrigens durchaus liebevoll.
Die Stationen der Blog-Tour: 27.7.: stephienchen.de 28.7.: gute-kinderbücher.de 29.7.: books-and-cats.de 30.7.: niklas-leseblog.jimdo.com 31.7.: sarahs-buecherwelt.de/ |
„Vor dem Supermarkt stand George und redete laut irgendwelches Zeug. Er hatte uralte Jeans und ein T‑Shirt mit Löchern an. Seine langen Haare wehten im Wind. Eine Omi schaute von einem Balkon runter und hörte zu, neben ihr saß eine fette Katze.”
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich der Schillerkiez seit einigen Jahren wandelt. Das hat viel mit dem ehemaligen Flughafen Tempelhof zu tun, auf dem 2007 noch 24.000 Maschinen starteten und landeten. Was lange abstieß, zieht nun an: Heute ist das leere Flugfeld ein großer Spielplatz. „Die Infrastruktur hat sich verbessert, es gibt mehr Einzelhandel, Kultur und Cafés”, beschreibt Dorit Linke die Situation. „Wohnstraßen, die früher kaum beachtet wurden, sind nun begehrt. Neukölln ist attraktiv geworden, vor allem auch für junge Menschen.”
Der Stadtteil wird hipper und beliebter, bunter, schöner, lebendiger. Die Schattenseiten des Wandels: „Die Mieten steigen, was gerade für die alteingesessene Bevölkerung problematisch ist.”
„,Gibt es hier denn Reiche?’ ”, fragt Niklas im Buch, woraufhin Oma Hartmann auf die Altbauten in der Schillerpromenade zeigt. „,Oben in den Dachgeschossen wohnen ein paar Reiche. Zumindest sind das Leute, die Arbeit haben.’ ‚Krass’, sagte ich und schaute hoch zu den Wohnungen. Ein Typ im Unterhemd goss Blumen mit einer grünen Gießkanne und sah nicht gerade reich aus.”
Gentrifizierung? Noch ist die Laune auf der Schillerpromenade ganz gut. „Neukölln ist lebendig und von den unterschiedlichsten Menschen bevölkert, das mag ich sehr”, sagt Dorit Linke. „Ich wünsche mir, dass Neukölln seinen Charme und Charakter behält.”
Zur Orientierung: Karte vom Schillerkiez.
Container und Kampfhund: Zwei Neukölln-Sujets, die nicht fehlen dürfen.
Das „Mos Eisley” gibt es seit 2013. Daniela freut sich sehr, dass ihre Eisdiele in „Fett Kohle” vorkommt.
Direkt gegenüber von dieser Kneipe ist die Kita, in die Niklas seine beiden kleinen Geschwister jeden Morgen bringt.
Ein paar Schritte weiter rechts wohnt Niklas’ Freund Felix.
Der Herrfurthplatz: Im Hintergrund der Supermarkt, in dem Niklas einkaufen geht. Die ehemalige Telefonzelle auf dem Platz ist eine öffentliche Straßenbibliothek, die „Bücherboxx”. Die besucht Niklas auch ganz gerne.
Das riesige Flugfeld – die große Freiheit auf 3,4 Millionen Quadratmetern. Wenn der Wind richtig bläst, fliegen überall am Himmel Drachen. Auch Niklas geht dann gerne Kiten. „Schwarze Wolken am Himmel, es sah nach Gewitter aus. Für einen Moment wurde der Wind stärker und hob mich ein bisschen in die Luft. Es kribbelte in meinem Bauch. Das Kribbeln war das Beste überhaupt. Ich vergaß dann immer alle doofen Sachen, wie Hausaufgaben oder Kaminski.”
Heute ist der Wind mau. Die Rennrad-Fahrer haben freie Bahn.
In einer Ecke des Flugfelds ist der Gemeinschaftsgarten „Allmende-Kontor” entstanden. Einer, der hier seine Blumen gießt, ist Halil. Statt Blumenkästen bepflanzt er Schuhe.
Zum Schluss der Tour durch Neukölln zieht es mich noch einmal zur Hasenschänke. Ich kaufe mir ein Bier…
… und setze mich mit der Flasche ein paar Meter weiter auf eine Bank im Rosengarten. Hier haben Niklas und Felix die Tasche mit dem Geld verbuddelt. Die Spaliere sind alt, die Farbe blättert ab. Die Beete sind ungepflegt, viele Rosen sind welk. Daneben blühen neue. Korrekte Mischung.
Meine Meinung zum Buch: Mehrere Handlungsebenen sind geschickt verwebt. Dorit Linke erzählt die Geschichte temporeich und in lockerem Tonfall aus Niklas’ Perspektive. Stellenweise ist „Fett Kohle” dadurch wirklich witzig, wenn auch für meinen Geschmack sprachlich manchmal eine Spur zu klischeebehaftet. Alles in allem: ein guter Regiokrimi für Kinder! |
Von: Dorit Linke
Verlag: Magellan
Krimi für Kinder ab 10 Jahren
ISBN: 978–3734847066
Gebundene Ausgabe: 208 Seiten
Format: 15,1 x 2,5 x 21,6 cm