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Tiptoi oder Ting – welcher Lesestift ist besser?

Wer die Wahl hat …

Digi­tale Lese­stifte besche­ren den Ver­la­gen hüb­sche Umsätze und sind bei Kin­dern beliebt. Wenn die Eltern mal keine Zeit haben, ist trotz­dem immer ein Vor­le­ser zur Hand. Man tippt mit dem Stift im Buch herum – und bekommt die ent­spre­chende Stelle vor­ge­le­sen bzw. pas­sende Geräu­sche und Musik vorgespielt.

2010 machte Ravens­bur­ger in Deutsch­land den Anfang und brachte den Tiptoi her­aus. Ein Jahr spä­ter kam der Ting-Stift auf den Markt, für den es Bücher und Spiele von ver­schie­de­nen Ver­la­gen gibt. Laut Ravens­bur­ger hat inzwi­schen rund jeder zweite Haus­halt mit Kin­dern zwi­schen vier und acht Jah­ren einen Tiptoi-Stift daheim. Der Ting-Stift dürfte weni­ger ver­brei­tet sein.

Grund­sätz­lich gilt: Beide Stifte sind sehr ähn­lich und funk­tio­nie­ren nach dem­sel­ben Prin­zip. Vorne im Stift sitzt ein opti­scher Sen­sor, der feine, für das mensch­li­che Auge prak­tisch unsicht­bare Mus­ter erkennt. Ein Laut­spre­cher spielt dann je nach ange­tipp­ter Stelle unter­schied­li­che Geräu­sche, Texte oder Musik­stü­cke ab. Aller­dings sind die Stifte trotz iden­ti­scher Funk­ti­ons­weise nicht kom­pa­ti­bel. Der Tiptoi-Stift ist nur für Tiptoi-Bücher nutz­bar, der Ting-Stift nur für Ting-Bücher. Man muss sich also ent­schei­den – und das führt zu der Frage: Wel­cher Stift ist denn nun bes­ser? gute-kinderbücher.de macht den Test und ver­gleicht Tiptoi und Ting.

Technische Aspekte

Spei­cher­ka­pa­zi­tät: Jedes neue Buch oder neue Spiel erfor­dert den Down­load einer spe­zi­el­len Datei, die auf den Stift gela­den wird. Sowohl der Tiptoi- als auch der Ting-Stift wer­den dafür per mit­ge­lie­fer­tem USB-Kabel mit einem Com­pu­ter (Mac oder Win­dows-PC) ver­bun­den. Auf dem Test-Ting von gute-kinderbücher.de sind etwa 1,7 GByte Platz, auf den aktu­el­len Tiptoi pas­sen 3,4 GByte Daten.

Wie man die pas­sen­den Dateien vom Inter­net auf den Stift bekommt, ist bei den Stif­ten leicht unter­schied­lich, die jewei­lige Methode klappt aber bei bei­den ein­fach und problemlos.

► Die ver­bau­ten Laut­spre­cher sind jeweils solide. Keine Audio-Offen­ba­rung, aber auch kein Offen­ba­rungs­eid. Der Tiptoi klingt mög­li­cher­weise einen Tick klarer.

► Ein Kopf­hö­rer­an­schluss (3,5 mm Klinke) ist bei bei­den Stif­ten vor­han­den. Das ist z.B. bei Auto- und Zug­rei­sen sehr prak­tisch, denn so kann sich das Kind mit dem Stift beschäf­ti­gen, ohne dass alle ande­ren mit­hö­ren müssen.

► Ein biss­chen schade: Als mp3-Player taugt kei­ner der Stifte. Die erste Ver­sion des Ting-Stif­tes (TINGclas­sic) konnte noch mp3s abspie­len, die neue (TINGsmart) lei­der nicht mehr. Der aktu­elle Tiptoi-Stift hat zwar einen Player an Bord, der Hör­bü­cher abspie­len kann, das funk­tio­niert aber nur, wenn die Dateien im Ravens­bur­ger-spe­zi­fi­schen .rav-For­mat vor­lie­gen. Eine Lösung zum umwan­deln von mp3-Dateien in rav-Dateien habe ich bis­her noch nir­gends entdeckt.

Akku vs. Bat­te­rie: Der Tiptoi läuft mit zwei AAA-Bat­te­rien, im Ting ist ein Akku ver­baut. Gela­den wer­den kann der Akku über die USB-Schnitt­stelle am Com­pu­ter oder ein USB-Lade­ge­rät (wird nicht mit­ge­lie­fert). Was man nun lie­ber hat, ist Geschmacks­sa­che. Bat­te­rien las­sen sich ein­fach aus­tau­schen und schon geht’s ohne Kabel wei­ter, dafür hin­ter­lässt man mit einem Akku nicht so viel Giftmüll.

Handhabung und Bedienung

Bedie­nung: Stift ein­schal­ten, vorne im Buch auf das Start­zei­chen tip­pen (damit der Stift weiß, mit wel­chem Buch er es zu tun hat) – und los geht’s. Die Bedie­nung ist bei bei­den Stif­ten kinderleicht.

Hand­ha­bung: Der Ting (33 Gramm) ist deut­lich leich­ter und dün­ner als der Tiptoi (79 Gramm). Einige Eltern fin­den, kleine Kin­der könn­ten damit bes­ser umge­hen. Pro­bleme macht aber auch der Tiptoi nicht. Unsere Kin­der hat­ten schon als Drei­jäh­rige viel Spaß damit und konn­ten ihn tadel­los handhaben.

► Bei der Reak­ti­ons­ge­schwin­dig­keit scheint der Tiptoi die Nase ein wenig vorn zu haben. Tippt man ein neues Bild oder einen neuen Text an, wäh­rend der Stift noch einen ande­ren Sound abspielt, wech­selt der Tiptoi so gut wie immer sofort. Der Ting hängt manch­mal eine Sekunde.

Belastbarkeit, Reparatur, Umtausch-Service

► Beide Stifte sind erstaun­lich robust. Kleine Kin­der häm­mern teil­weise ganz schön kräf­tig damit aufs Buch. Das hin­ter­lässt dann logi­scher­weise einige Del­len auf den Sei­ten, den Stif­ten kann es aber erstaun­li­cher­weise lange Zeit kaum etwas anhaben.

► Reagiert der Stift irgend­wann dann doch nicht mehr, ist eine Repa­ra­tur meist selbst mög­lich. Häu­fige Feh­ler­ur­sa­che bei bei­den Stif­ten: Die Spitze vorne, die den opti­schen Sen­sor schützt, ist so ver­bo­gen, dass der Sen­sor keine freie Sicht mehr aufs Buch hat. Dann kann man die Spitze ein­fach ein biss­chen auf­pro­keln – und alles ist wie­der gut. Für den Fall, dass ein­mal der Laut­spre­cher kaputt gehen sollte, exis­tiert für den Tiptoi auch dafür eine Repa­ra­tur­anlei­tung im Netz: hilfefuchs.de/technik/tiptoi-stift-defekt-so-reparieren-sie-ihn-selbst.

► Wer aller­dings den Griff zum Löt­kol­ben scheut, kann den defek­ten Stift auch ein­fach umtau­schen: Inner­halb der Garan­tie­zeit erset­zen sowohl Ravens­bur­ger als auch Ting die Stifte anstandslos.

Vielfalt und Qualität

► Für beide Stifte gibt es mitt­ler­weile sehr viele Bücher, Brett­spiele und andere Pro­dukte wie z.B. Glo­ben. Für den Ting-Stift bie­ten ver­schie­dene Ver­lage Bücher und Spiele an. Stand März 2017 sind es 25 Ver­lage – dar­un­ter Tess­loff (mit der belieb­ten „Was ist was”-Reihe), Cop­pen­rath, Cor­nel­sen, Kos­mos, Duden und Klett.

Der Tiptoi-Stift ist dage­gen (eigent­lich) ein rei­nes Ravens­bur­ger-Pro­dukt. Die Tiptoi-Pro­dukt­reihe (mit vie­len „Wieso? Wes­halb? Warum?”-Bänden) ist aber so umfang­reich, dass das kein Nach­teil ist. Zudem koope­riert Ravens­bur­ger seit Herbst 2016 auch mit dem Modell­bau­satz­her­stel­ler Revell: Es gibt nun auch einige Spiel­ku­lis­sen (Poli­zei, Feu­er­wehr, Ein­kaufs­zen­trum, Auto­rennen) mit Figu­ren und je einem Gebäude und Fahr­zeug zum selbst zusam­men­bauen. Die Wel­ten kön­nen dann bespielt und mit dem Tiptoi erforscht werden.

Für beide Stifte sind inzwi­schen rund 150 Pro­dukte erhält­lich. Die von Ravens­bur­ger sind dabei ten­den­zi­ell ein klein wenig teurer.

► Dafür ist die Qua­li­tät der Ravens­bur­ger-Spiele und ‑Bücher aber auch durch­ge­hend hoch. Alle bie­ten zahl­rei­che Inter­ak­ti­ons­mög­lich­kei­ten. In den Büchern kann man z.B. auf jeder Seite auf viele ver­schie­dene Stel­len tip­pen. Dazu lässt sich auch noch der Modus umstel­len: Je nach­dem ob man im „Ent­de­cken”-, „Wis­sen”-, „Erzäh­len”- oder „Spielen”-Modus ist, wer­den beim Drü­cken des Stifts auf die­selbe Stelle unter­schied­li­che Sound­da­teien abge­spielt. So blei­ben die Bücher lange unterhaltsam.

Beim Ting sind einige Pro­dukte dage­gen deut­lich weni­ger gut durch­dacht. Rich­tig­ge­hend ent­täu­schend ist das Ting-Star­ter­set „Die Welt”. Viel zu wenige Stel­len sind mit einem Code für den Ting ver­se­hen, meist wer­den bloß die Texte vor­ge­le­sen, die auf den Sei­ten abge­druckt sind. Und selbst der „Große Felix-Welt­at­las” von Cop­pen­rath ist lei­der nur halb­her­zig „ver­tingt”. Als nor­ma­ler Kin­der­at­las ist das Buch eine Wucht. Es ist wun­der­bar lie­be­voll gestal­tet und mit vie­len tol­len Extras aus­ge­stat­tet. Zum Bei­spiel gibt es einen Kom­pass, eine große Pos­ter-Welt­karte und Briefe zum Her­aus­neh­men, wie man sie aus den Hase-Felix-Büchern kennt. Schade, dass man mit dem Ting-Stift im „Felix-Welt­at­las” deut­lich weni­ger anstel­len kann als in einem durch­schnitt­li­chen Ravens­bur­ger-Buch mit dem Tiptoi.

► Als Hilfe beim Erler­nen von Fremd­spra­chen wie­derum ist das Ting-Ange­bot brei­ter auf­ge­stellt. Für den Tiptoi sind das Brett­spiel „Die Eng­lisch-Detek­tive” sowie das „Grund­schul­wör­ter­buch Eng­lisch” zwar her­vor­ra­gend, wenn es aber um andere Spra­chen als Eng­lisch geht, wird es dünn. Spe­zi­elle Bücher für Fran­zö­sisch, Spa­nisch, Schwe­disch, Tür­kisch, Rus­sisch, Ita­lie­nisch und Pol­nisch gibt es nur für den Ting.

Fazit: Tiptoi vor Ting

Wenn man nicht unbe­dingt ein spe­zi­el­les Ting-Pro­dukt haben möchte, ist man mei­ner Mei­nung nach ins­ge­samt mit dem Tiptoi bes­ser bera­ten. Die Pro­dukte sind zwar meist ein biss­chen teu­rer, aber dafür sind sie alle­samt auf einem guten Niveau und rei­zen die Mög­lich­kei­ten eines digi­ta­len Lese­stif­tes im All­ge­mei­nen bes­ser aus als Ting-Produkte.

Wer vor dem Kauf ein­mal selbst tes­ten will: Viele Stadt­bi­blio­the­ken haben beide Stifte und dazu­ge­hö­rige Bücher im Sortiment.

Matti Hartmann: Matti Hartmann ist im Hauptberuf freier Journalist und nebenher Vater von drei Kindern. Oder andersherum. Außerdem Bücherfreund. Und weil sich das alles prima unter einen Hut bringen lässt, wenn man eine Kinderbuchseite betreibt, macht er genau das auch noch.
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