ab 12 Jahren

Erst wirst du verrückt und dann ein Schmetterling

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Kinderbücher: Erst wirst du verrückt und dann ein Schmetterling

Geht es jetzt? Nimmt es auf? Test … Test… Moment mal … Klick. Ja, ist drauf. Klingt gerade so, als würde meine Stimme durch eine Haar­na­del­kurve schlin­gern. Wal­put hat gesagt, das Ding sei sech­zig Jahre alt. Ich habe gefragt, ob es mit Dampf oder Öl betrie­ben werde, aber es ist ein ganz nor­ma­ler Ste­cker dran. Jetzt muss ich mit mei­nem Tage­buch anfan­gen. Mit mei­nem Tage­ton­band. Zu Wal­put habe ich gesagt, ein Tage­buch sei doch was für Mäd­chen, so wie Gedichte schrei­ben, und nicht für Jungs. „Für Erwach­sene Män­ner aber schon. Komisch, was?”, meinte er. Und es könne einem hel­fen, die Gedan­ken zu ord­nen. Dabei weiß ich nicht mal, ob ich noch Gedan­ken habe. Oder war das jetzt ein Gedanke?

Der Beginn des Jugend­ro­mans „Erst wirst du ver­rückt und dann ein Schmet­ter­ling” ist sym­pto­ma­tisch für das ganze Buch. Im flot­ten Plau­der­ton ver­bin­det der nie­der­län­di­sche Autor Sjo­erd Kuy­per Wit­zi­ges mit tief­grei­fen­den Gedan­ken. Es geht um Liebe und Tod, um Jungs und Mäd­chen, um Fuß­ball und Schön­heit, um ein Hotel am Rande des Ruins und – ganz ein­fach – um die Tücken des Groß­wer­dens. Alles in der Form eines abge­tipp­ten Ton­band-Tage­buchs, also in den eige­nen Wor­ten des jun­gen Hel­den verfasst.

Der heißt Kos und ist 13 Jahre alt. Er ist ein begna­de­ter Fuß­bal­ler, es ist Mai, es ist warm, das Meis­ter­schafts­fi­nale steht an, ein Scout von Ajax Ams­ter­dam soll im Publi­kum sein, und Kos fin­det: „Es war ein Sonn­tag, an dem man sicher war, alles zu kön­nen. Flie­gen zum Beispiel.”

Doch statt des gro­ßen Tri­umphs war­tet die Kata­stro­phe. Kos sieht, wie sein Vater am Spiel­feld­rand zusam­men­bricht. Herzinfarkt!

Und jetzt geht alles drun­ter und drü­ber. Kos’ zit­tert um das Leben sei­nes Vaters. Mit sei­nen drei Schwes­tern, die sich stän­dig gegen ihn zu ver­bün­den schei­nen, muss er das Fami­lien-Hotel über Was­ser hal­ten. Und dann ist da noch Isa­bel, für die er schwärmt und mit der er gerne mehr Zeit ver­brin­gen würde.

Das Buch ist rasant, kurz­wei­lig und humor­voll. Kuy­per lässt aller­hand schräge Typen auf­mar­schie­ren und erfin­det rei­hen­weise sku­rille Sze­na­rien für seine Figu­ren. Das hat teil­weise etwas von Slap­stick, wenn zum Bei­spiel Kos’ kleine Schwes­ter mit Obst­kiste auf dem Skate­board hin­ter der Bar her­ums­aust, um über den Tre­sen schauen und Rum in Bier­glä­sern aus­schen­ken zu kön­nen, wäh­rend dane­ben ein totes Kanin­chen liegt. Oder wenn Kos’ im Affen­kos­tüm rap­pend durch die Stadt zieht. 

Aber so absurd die Hand­lung manch­mal auch sein mag – die Geschichte glei­tet nie in den Kla­mauk ab. Dafür gibt es zu viele ernste The­men: Neben dem kri­ti­schen Zustand des Vaters, der Erin­ne­run­gen an den Krebs­tod der Mut­ter vor drei Jah­ren her­vor­ruft, sind da: das wie­der­keh­rende Gefühl, von den Schwes­tern nicht gewollt zu sein. Die Angst, dass die Mut­ter auch lie­ber noch ein Mäd­chen statt ihn gehabt hätte. Die Unsi­cher­heit im Umgang mit Isabel.

Ele­gant lässt Kuy­per das alles inein­an­der flie­ßen – und beweist dabei ein irre gutes Gefühl für die rich­tige Balance. 

Schon selt­sam, dass Leute, die ster­ben, andere, die nicht ster­ben, trös­ten. Aber so selt­sam ist es auch wie­der nicht, denn wer wei­ter­lebt, der steht hin­ter­her mit sei­nem Kum­mer da, und man selbst ist tot und kriegt nichts mehr mit. Ich finde, mit Ster­ben­den sollte man schöne Erin­ne­run­gen wach­ru­fen, damit sie das Gefühl haben, im Leben alles rich­tig gemacht zu haben. Wie eine Art letz­ter gro­ßer Applaus von den Zuschau­ern, kurz vor Spielende.


Von: Sjo­erd Kuy­per, aus dem Nie­der­län­di­schen von Eva Schweikart
Ver­lag: Gabriel
Jugend­buch ab 12 Jahren
ISBN: 978–3522303941
Gebun­dene Aus­gabe: 256 Seiten
Ori­gi­nal­ti­tel: Hotel de Grote L
For­mat: 14,1 x 3,2 x 21,8 cm 
Rating: 4.2/5. From 10 votes. 
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