Krokodil im Nacken
Weshalb bezeichnen eigentlich fast alle Kritiker Klaus Kordons großen DDR-Roman „Krokodil im Nacken” als „Jugendbuch”? Ist es eine gewohnheitsmäßige Etikettierung, weil vieles, was der Autor schreibt, Jugendliche fesselt?
Kordons gerader Stil und die Tatsache, dass seine Helden meist junge Menschen sind, haben ihm den Ruf eines Jugendbuch-Autors eingebracht. Dass er seinen Lesern in vielen Büchern – wie übrigens auch im „Krokodil” – Geschichte vermittelt, indem er alltägliche Lebenswirklichkeit darstellt, hat bestimmt noch dazu beigetragen.
Insofern ist das „Krokodil” ein typischer Kordon. Und es ist kein Wunder, dass aufgeweckte Jugendliche das Buch verschlingen. Die Jugendjury des deutschen Jugendliteraturpreises erkor das „Krokodil im Nacken” 2003 zum besten Buch des Jahres.
Zitat: „Klaus Kordon beschreibt die Stasi-Haft und die Vergangenheit von Manfred Lenz so, dass wir Leser miterleben, wie Manne zum Manfred wird. Seine Kindheit im Heim und auf der ‚Insel der Jugend’ ist so realistisch dargestellt, dass wir uns heute vorstellen können, wie eine Jugend vor einigen Jahrzehnten jenseits des ‚Eisernen Vorhangs’ ausgesehen hat. Es ist zwar eine Zeit, über die wir Schüler im Geschichtsunterricht hören, zu wenig aber erfahren wir über einzelne Menschen, über das Alltägliche, fernab von Staatsverträgen und Wettrüsten. Genau das hat uns an diesem Buch so sehr gefallen, es geht um Einzelschicksale, um Stasi-Offiziere ebenso wie um Manfred und Hannah.”
In zwei sich abwechselnden Strängen erzählt Kordon von der Haft und vom Vorleben des Manfred Lenz. Beide Erzählstränge sind so stark, dass man immer weiter lesen möchte, sie am liebsten gleichzeitig aufsaugen würde. Nicht nur deshalb ist das „Krokodil im Nacken” durchaus auch aufgeweckten Erwachsenen zu empfehlen.
Für alle Kordon-Fans ist es ohnehin ein Muss. Denn in diesem Buch verarbeitet der Autor seine eigene Geschichte. Der Vater im Krieg gestorben, die Mutter nicht viel später. Die Jugend in verschiedenen DDR-Heimen, dann die wechselnden Berufe, der sich einstellende Erfolg, das Fernstudium, die Reisen als Exportkaufmann nach Indien und Indonesien, die zunehmende Distanz zum Überwachungs-Staat, die innere Emigration – und schließlich der gescheiterte Versuch, der ständigen Bevormundung durch die Flucht über Bulgarien zu entkommen. Die folgende Stasi-Haft, die Zweifel, die Isolation. Die Sorgen um Frau und Kinder, das Misstrauen jedem Mithäftling gegenüber: Ist der etwa von der Stasi beauftragt, mich auszuhorchen? Die Hoffnung, möglicherweise von der Bundesrepublik freigekauft zu werden.
All das ist nicht nur die Geschichte von Manfred Lenz. Es ist das Leben von Klaus Kordon selbst. Dreißig Jahre war er, als ihn die DDR 1973 endlich losließ. Noch einmal dreißig Jahre hat Kordon gebraucht, bis er alles niederschreiben konnte.
Das „Krokodil im Nacken” ist ein beeindruckender Roman geworden. Stellenweise ist er so bedrückend, dass man es kaum aushält. Und dann wieder heiter, gelassen und witzig. Wie es einer schafft, bei allem erlittenen Unrecht nicht zu verbittern – auch davon erzählt das „Krokodil im Nacken”.
Von: Klaus Kordon
Verlag: Beltz & Gelberg
Jugendbuch ab 14 Jahren
ISBN: 978–3407786326
Taschenbuch: 800 Seiten
Format: 18,4 x 12,6 x 4,2 cm