Der Dingdongdilli
Fast 30 Jahre lang arbeitete Bill Peet (1915 bis 2002) für Disney und war in dieser Zeit teils federführend an der Produktion von Filmen wie „Peter Pan”, „101 Dalmatiner”, „Dumbo” oder „Cinderella” beteiligt. Bis er sich 1964 während der Arbeiten zum „Dschungelbuch” endgültig mit Walt Disney überwarf, dessen Schaffenskraft er zwar hoch schätzte, den er aber als menschlichen Despoten beschrieb. Peet schmiss an seinem 49. Geburtstag hin und zeichnete von da an Kinderbücher.
1970 erschien „Der Dingdongdilli” (Original-Titel: „The Whingdingdilly”), das der Eulenspiegel-Verlag jetzt in einer neuen Übersetzung frisch aufgelegt hat. Es ist die Geschichte des Hundes Stromer, der mit sich selbst nicht mehr zufrieden ist. Alle bewundern den stolz über die Weide der Nachbarfarm trabenden Hengst Paladin, der schon zahlreiche Preise auf Tierschauen gewonnen hat. Stromer wäre auch gerne etwas Besonderes. Er läuft weg und trifft im Wald auf die Hexe Hulda, die aus ihm ein Tier zaubert, das noch niemand zuvor gesehen hat – ein „Dingdongdilli” mit Kamelhöcker, Elefantenfüßen, Giraffenhals, Rentiergeweih und Nashornnase!
Die Idee zu so einem Wesen entstand, als Bill Peet Jahre zuvor in Schulen Tiere für Kinder zeichnete, erklärte er später: „Ich mochte es, die Kinder so lange wie möglich im Unklaren zu lassen und habe die Körperteile mit dem größten Wiedererkennungwert erst zuletzt gezeichnet. Aber auch wenn ich bei einem Elefanten nicht mit Rüssel oder Ohren sondern mit einem Fuß anfing, flüsterte meist einer in der Gruppe schnell die Lösung und das Ratespiel war vorüber. Als schlechter Verlierer begann ich zu tricksen. Wenn die Kinder mein Tier erkannten, habe ich einfach ein anderes weiter gezeichnet. Ich fing etwa mit einem Nashornkopf an, und wenn sie alle ‚Nashorn! Nashorn!’ riefen, habe ich dem Tier noch ein Geweih und einen Giraffenhals verpasst. Dann riefen sie ‚Unfair! Du betrügst!’ und hatten einen enormen Spaß dabei. Spontanes Kinderlachen ist wie Musik. Also dachte ich: So ein Tier gehört in ein Kinderbuch.”
Die Geschichte vom „Dingdongdilli” ist aber nicht bloß lustig. Denn vor dem verwandelten Stromer haben die Bauern auf dem Land Angst. Sie machen Jagd auf ihn. Und dann taucht auch noch der Schausteller Luigi Lomberti auf, der den „Dingdongdilli” unbedingt für seine Sammlung seltsamer Lebewesen haben will. Er fängt Stromer, sperrt ihn ein und führt ihn angekettet vor. Es gibt also auch viele spannende und berührende Szenen, deren Dramatik Bill Peet aber immer durch die ebenfalls in ihnen liegende Komik zu entschärfen weiß.
Zum Glück mischt ganz am Ende die Hexe Hulda noch einmal mit, so dass Stromer als Hund zurück auf seine Farm zum Jungen Orvie gelangen kann, der ihn selig in die Arme schließt. Denn für Orvie war Stromer schon immer etwas ganz Besonderes. Und das ist dann wohl die Lehre aus diesem schönen Buch: Das Gras auf der anderen Seite wirkt oft grüner als es in Wahrheit ist – und wenn du manchmal lieber ein anderer wärst, erinnere dich daran, wie sehr du geliebt bist, weil du eben du selber bist!
Von: Bill Peet, übersetzt von Thomas Kupfermann
Verlag: Eulenspiegel Kinderbuchverlag
Kinderbuch ab 5 Jahren
ISBN: 978–3359017066
Gebundene Ausgabe: 64 Seiten
Format: 20,5 x 1,5 x 25,1 cm