Das musikalische Nashorn
Peter Hacks wird, wenn denn einmal von ihm die Rede ist, gerne so hoch gelobt, dass es einem schnell bang werden kann vor lauter Ehrfurcht. So geschliffen ist seine Sprache, so vollendet die Form seiner Texte, so durchweht von Größe, Klassik und Geist sein ganzes Werk, dass nicht einmal die FAZ umhinkommt, ihn zu preisen. Dass er allerdings bis zum Ende ein Kommunist geblieben ist, führt bei den Kritikern zu so manchem Eiertanz. Es scheint: Der Hacks ist eine intellektuelle Bombe – und entsprechend oft wird er auch einfach nur gemieden.
Umso wertvoller ist, was der Eulenspiegel-Verlag macht. Unermüdlich bringen sie dort Vergrabenes wie lang Verehrtes heraus, Briefwechsel, Stücke, Essays, Gedichtbände; praktisch alles von, mit und über Hacks.
Gerade ist wieder einmal etwas für Kinder erschienen: „Christian Steyer liest ‚Das musikalische Nashorn’ und andere Tiergeschichten von Peter Hacks”.
Jedes einzelne der insgesamt 21 Stücke, vom flotten Gedicht bis zur ausgefuchsten Fabel, vorgetragen in aller zu erwartender Gemütlichkeit (man kennt die Stimme Steyers ja aus der zu Tagesschläfchen einladenden MDR-Zooserie „Elefant, Tiger & Co.”), spiegelt auf den ersten Blick eine eher entspannte Weltsicht mit gutmütigen und einfachen Lehren.
Da ist zum Beispiel „Die schwererziehbare Raupe”: Die Schmetterlinge sind ganz entsetzt über das besonders schleimige und haarlose Tier, das sie so spät im Jahr erspähen und das sich offenbar der doch von der Natur vorgeschriebenen Verwandlung zu entziehen sucht. Aber wie sie es auch probieren, ob mit krachenden Tiraden, feiner Überredungskunst oder süßen Liebkosungen – die Raupe zuckt nur die Achseln (von denen sie so einige hat, „sodass es eine ganze Weile dauerte, bis alle Achseln gezuckt waren”, wie es wunderbar anschaulich im Text heißt).
Natürlich liegt es nahe, die Fabel wörtlich zu nehmen: Wie schwer ist es, ein Kind zu erziehen! Die Moral lautete dann, dass man sich vielleicht mal nicht so wichtig nehmen sollte, das Kind werde seinen Weg schon finden. Und wenn wir Eltern uns gar zu bescheuert aufführen, dürfen wir uns eben nicht wundern, wenn dieser Weg von uns fort führt.
Aber: Bei Hacks kann man immer mit mehr rechnen. Über die einfache Deutung hinaus (die jedem Kind gelingen wird) empfiehlt es sich, weiter zu assoziieren und nachzudenken, etwa auch über gesellschaftliche Prozesse. Man wird schon was finden!
Leider, und das ist das einzige Problem dieser schönen CD, wird dem lohnenden Grübeln viel zu wenig Zeit gelassen. Die eben erzählte Geschichte will noch nachhallen, da setzt Steyer schon zur nächsten an. Halt!, möchte man rufen, so geht das nicht!
Zum Glück gibt es die Pause-Taste. Die sollte man hin und wieder nutzen, damit „Der Bär auf dem Försterball”, „Das musikalische Nashorn”, „Leberecht am schiefen Fenster” und all die anderen Geschichten und Gedichtchen den Raum bekommen, den sie als vielschichtige kleine Kunstwerke benötigen.
Von: Peter Hacks
Verlag: Eulenspiegel Verlag
Hörbuch ab 3 Jahren (bis mindestens 99!)
ISBN: 978–3359011415
1 CD, 69 Minuten Laufzeit
Hacks erhielt 1998 den Deutschen Jugendliteraturpreis für sein Gesamtwerk.