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Rübezahl

Um Rübe­zahl, den rät­sel­haf­ten Schrat aus dem Rie­sen­ge­birge, ran­ken sich Hun­derte von Legen­den. Es ist nie ganz klar, in wel­cher Gestalt er einem begeg­nen wird. Mal tritt er in den Geschich­ten, die sich die Men­schen seit Jahr­hun­der­ten erzäh­len, als Riese auf, dann ver­wan­delt er sich in einen Kuckuck, Esel oder Baum. Mal erscheint er als Männ­lein – und plötz­lich ver­flüch­tigt er sich wie ein Geist. Manch­mal ist er hilfs­be­reit und frei­gie­big, ver­schenkt die Schätze der Berge mit vol­len Hän­den. Aber manch­mal, wenn ihm jemand nicht passt oder ihm ein­fach danach ist, spielt er seine Strei­che. In eini­gen Erzäh­lun­gen gleicht er einem Teu­fel. In ande­ren ist er der wilde Geist, der über das Gebirge wacht. Lau­nisch, derb und frei.

Erich Jooß und Maren Bris­wal­ter haben aus dem reich­hal­ti­gen Fun­dus der Rübe­zahl-Erzäh­lun­gen einige aus­ge­wählt, die den Herrn des Rie­sen­ge­bir­ges als grund­sätz­lich gut­mü­tig und gerecht dar­stel­len. Sicher, er treibt es manch­mal bunt. Einem Händ­ler zer­dep­pert er aus einer blo­ßen Laune her­aus die Ware. Doch dann ent­schä­digt er den armen Mann – und bestraft statt­des­sen einen ande­ren, der ihn ver­spot­tet hatte.

Der Rübe­zahl in die­sem Buch lebt unab­hän­gig und zurück­ge­zo­gen von den Men­schen. Aber er inter­es­siert sich für sie. Aus purer Neu­gier mischt er sich unter die Leute, beob­ach­tet und stellt Ver­su­che an, wie sie wohl auf die­ses oder jenes reagie­ren mögen. Dann bil­det er sich sein Urteil und beein­flusst die Geschi­cke, wie es ihm rich­tig erscheint. Was er dem aus­beu­te­ri­schen Wirt durch eine List nimmt, schenkt er dem armen Weber und sei­nen sie­ben frie­ren­den Kindern.

Nüch­tern betrach­tet ist Rübe­zahl wohl nichts wei­ter als ein Traum­we­sen, dem die Men­schen von Wet­ter­um­schwün­gen bis klei­nen Miss­ge­schi­cken alles in die Schuhe scho­ben, was sie ver­wirrte, und das sich ins Bergin­nere zurück­zog, sobald die wilde Natur mit der begin­nen­den Moderne erklär­bar und beherrsch­bar wurde. Der erwach­sene Leser mag das so inter­pre­tie­ren. Aus kind­li­cher Per­spek­tive bleibt der Rübe­zahl von Jooß und Bris­wal­ter bis heute unbe­re­chen­bar und mys­tisch. Die ver­wun­schen nebel­haf­ten Illus­tra­tio­nen von Maren Bris­wal­ter tun das ihre, um diese große Sagen­ge­stalt in unse­ren Köp­fen leben­dig zu halten.


Von: Erich Jooß (Text) und Maren Bris­wal­ter (Illus­tra­tio­nen)
Ver­lag: Urachhaus
Kin­der­buch ab 4 Jahren
ISBN: 978–3825178123
Gebun­dene Aus­gabe: 32 Seiten
For­mat: 23,8 x 1 x 29,2 cm
Categories: ab 4 Jahren
Matti Hartmann: Matti Hartmann ist im Hauptberuf freier Journalist und nebenher Vater von drei Kindern. Oder andersherum. Außerdem Bücherfreund. Und weil sich das alles prima unter einen Hut bringen lässt, wenn man eine Kinderbuchseite betreibt, macht er genau das auch noch.
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