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Grododo

Komik ent­steht unter ande­rem durch ins Gro­teske über­stei­gerte All­tags­si­tua­tio­nen. Dass sich die Motive dabei wie­der­ho­len, ist klar. Der All­tag tut es ja auch. 

Als der fran­zö­si­sche Autor Mich­aël Escof­fier eines Nachts zuerst von fei­ern­den Nach­barn, dann von einem Feu­er­wehr­auto und schließ­lich von zwei Tau­ben wach­ge­hal­ten wurde, kam ihm die Idee zum Kin­der­buch „Gro­dodo”. Aus so einer Situa­tion ein Kin­der­buch zu machen, ist natür­lich kein beson­ders ori­gi­nel­ler Gedanke. Den Ein­fall von den ewig wie­der­keh­ren­den Ein­schlaf-Ärger­nis­sen hat­ten andere auch schon. Aber was Escof­fier zusam­men mit der Illus­tra­to­rin Kris Di Gia­como gelun­gen ist, ver­dient trotz­dem eine genauere Betrach­tung. Weil näm­lich ihr „Gro­dodo” sehr, sehr gut gewor­den ist.

Hase Cäsar ist ein ziem­li­cher Spie­ßer – aber auf eine so sym­pha­ti­sche Art, dass man sich gerne mit ihm iden­ti­fi­ziert. Er braucht sein fes­tes Ein­schlafri­tual: Glas Was­ser auf den Nacht­tisch, Pan­tof­feln auf den Tep­pich, unterm Bett nach Mons­tern gucken, Teddy her­zen, Augen schlie­ßen, auf den Ohren ein­schla­fen. Diese Nacht jedoch reißt ihn ein Nach­bar nach dem ande­ren wie­der hoch. Der Vogel häm­mert Nägel in die Bäume, um Bil­der auf­zu­hän­gen, das Eich­hörn­chen knackt für Cäsars Geschmack zu laut Nüsse. 

Wie die wie­der­holte Ruhe­stö­rung den Hasen mit der Melone auf dem Kopf immer knur­ri­ger wer­den lässt, ist genial gezeich­net und komisch zu beob­ach­ten. Die Augen zu schma­len Schlit­zen ver­engt oder vor Zorn weit auf­ge­ris­sen gerät Cäsar von Seite zu Seite mehr in Rage. Gleich­zei­tig setzt ihm die Situa­tion so zu, dass sein peni­bler Fahr­plan zur Nacht­ruhe jedes Mal ein wenig wei­ter aus der Form kommt. Zum Schluss stellt er seine Pan­tof­feln ins Was­ser­glas und herzt den Tep­pich, bevor er die Ohren schließt und auf den Augen einschläft. 

Und dann ist da noch die Schluss­pointe. Wenn immer die ande­ren ner­ven, wir selbst aber eben für die ande­ren auch nichts ande­res als einer von den ande­ren sind – was sagt das dann eigent­lich über uns? 

Men­schen, die gerne über sich selbst lachen, wer­den die­ses Buch lieben.

Übri­gens: „Gro­dodo” ist ein Wort­spiel, das zwar nur im Fran­zö­si­schen funk­tio­niert, wo „gros dodo” einen tie­fen, erhol­sa­men Schlaf bedeu­tet – aber wenn man das nicht weiß, und der Buch­ti­tel des­halb viel­leicht ein wenig ver­wir­rend ist, macht das auch nichts. Hin und wie­der mal ein biss­chen ver­wirrt zu sein, ist ja nicht schlimm.

Gro­dodo” wurde von der Deut­schen Aka­de­mie für Kin­der- und Jugend­li­te­ra­tur als Bil­der­buch des Monats April 2017 ausgezeichnet.


Von: Mich­aël Escof­fier und Kris Di Gia­como (Illus­tra­tio­nen), über­setzt von Anna Taube
Ver­lag: Carlsen
Ein­schlaf-Bil­der­buch ab 4 Jahren
ISBN: 978–3551515094
Gebun­dene Aus­gabe: 56 Seiten
For­mat: 23,5 x 1,2 x 30,7 cm
Categories: ab 4 Jahren
Matti Hartmann: Matti Hartmann ist im Hauptberuf freier Journalist und nebenher Vater von drei Kindern. Oder andersherum. Außerdem Bücherfreund. Und weil sich das alles prima unter einen Hut bringen lässt, wenn man eine Kinderbuchseite betreibt, macht er genau das auch noch.
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