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Bluma

Manch­mal ist ein Buch so fein geschrie­ben, dass es bes­ser ist, es erst ein­mal selbst spre­chen zu las­sen als viele eigene Worte dar­über zu ver­lie­ren. Bei „Bluma und das Gum­mi­schlan­gen­ge­heim­nis” ist das so – und darum hier, anstelle eines aus­ge­feil­ten Ein­stiegs in die Rezen­sion, erst ein­mal die ers­ten Sätze, wie sie im Buch stehen:

„Habt ihr schon ein­mal etwas total Fal­sches gemacht?
Einen gro­ßen Feh­ler begangen?
Abso­lu­ten Mist gebaut?
Also nicht so Pipi­fax wie der klei­nen Nach­bars­toch­ter, auf die ihr eine Vier­tel­stunde auf­pas­sen soll­tet, beim Fri­seur­spie­len einen Iro­ke­sen­schnitt zu ver­pas­sen, ohne es vor­her mit ihrer Mut­ter abge­spro­chen zu haben? Obwohl: Das war auch nicht ganz ohne; Frau Olff hat Nele seit­dem nie wie­der allein zu uns gelassen.
Nein, was ich meine, ist etwas ande­res, etwas rich­tig Fal­sches.
Ich habe es getan. Vor genau fünf Tagen. Und seit genauso vie­len Tagen schon kann ich an nichts ande­res mehr den­ken als daran, wie ich das Ganze wie­der in Ord­nung brin­gen kann. Wie alles wie­der gut wer­den kann. Weil das doch das Wich­tigste ist: Dass alles wie­der gut wird.”

So unbe­streit­bar toll beginnt also der neue Kin­der­ro­man von Silke Schlicht­mann (die seit 2015 zwei Romane bei Han­ser ver­öf­fent­licht, zwei wei­tere Bücher für Erst­le­ser fer­tig geschrie­ben und dar­über hin­aus gerade einen Jugend­ro­man in Arbeit hat; von der man also behaup­ten kann, sie sei ziem­lich produktiv).

Bluma ist ein neun­jäh­ri­ges Mäd­chen, das gerade eine ganze Reihe von echt erns­ten Kin­der-Pro­ble­men hat: Sie zählt zwar für ihr Leben gerne Zaun­lat­ten, Schritte und alles Mög­li­che andere, aber in Mathe hat sie trotz­dem mal wie­der eine Fünf geschrie­ben. Ihre Eltern wer­den darum kaum zustim­men, dass sie den süßen Labra­dor Flo­cki vorm Tier­heim ret­ten darf. Und weil die herr­lich unkon­ven­tio­nelle Künst­ler-Nach­ba­rin Alice, die sonst immer ein offe­nes Ohr für Bluma hat, gerade mit eige­nen Pro­ble­men beschäf­tigt ist, klaut sie der auch noch eine von die­sen magi­schen Gum­mi­schlan­gen, die sonst immer dabei hel­fen, für alles eine Lösung zu fin­den. Jetzt ist es genau anders­rum: Die gestoh­lene Gum­mi­schlange bedeu­tet (zumin­dest in der Gedan­ken­welt Blu­mas) einen furcht­ba­ren Ver­trau­ens­bruch, der ihr den Weg zu Alice und ihren wert­vol­len Rat­schlä­gen verbaut. 

Dann gibt es da noch Sil­ber­fi­sche in Tup­per­do­sen, eine beste Freun­din, die schein­bar eine fiese Intrige spinnt, und Eltern, die zwar ganz nett, aber immer auf Achse sind. Silke Schlicht­mann lässt Bluma ihre Geschichte in einem unnach­ahm­li­chen Stil erzäh­len: Mun­ter greift sie mal vor, baut dann wie­der Rück­blen­den ein, ohne dass dies dem Erzähl­fluss je scha­den würde. Im Gegen­teil: Sie berich­tet so leben­dig und vol­ler Witz, dass man gar nicht auf­hö­ren mag, Bluma zuzu­hö­ren. Dabei ist doch das, was die Kin­der­seele plagt und hier in locke­rem Ton vor­ge­tra­gen wird, eigent­lich auch geeig­net, Erwach­se­nen-Bücher zu fül­len: Freund­schaft, miss­brauch­tes Ver­trauen, mora­lisch frag­wür­di­ges Han­deln, Miss­ver­ständ­nisse, das Rin­gen um Wie­der­gut­ma­chung – alles wich­tige und grund­le­gende The­men. Silke Schlicht­mann behan­delt sie mit Humor und Respekt. Das gibt dem Buch eine wun­der­bar ernst­hafte Leichtigkeit. 

Wie schön, dass sich am Ende dann auch noch alles fügt – und den vor­an­ge­stell­ten Sinn­spruch „Schwei­gen ist Sil­ber, Reden ist Gold – also manch­mal jeden­falls” auf die beste Art und Weise bekräftigt. 


Von: Silke Schlicht­mann, mit Illus­tra­tio­nen von Ulrike Möltgen
Ver­lag: Carl Hanser
Kin­der­ro­man ab 8 Jahren
ISBN: 978–3446257016
Gebun­dene Aus­gabe: 176 Seiten
For­mat: 13,2 x 1,9 x 21,2 cm
Categories: ab 8 Jahren
Matti Hartmann: Matti Hartmann ist im Hauptberuf freier Journalist und nebenher Vater von drei Kindern. Oder andersherum. Außerdem Bücherfreund. Und weil sich das alles prima unter einen Hut bringen lässt, wenn man eine Kinderbuchseite betreibt, macht er genau das auch noch.
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